Islamischer Religionsunterricht an österreichischen Schulen
Seit dem Schuljahr 1982/83 wird in Österreich Islamunterricht angeboten. Dies ist innerhalb Europas eine Besonderheit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem gesetzlichen Anerkennungsstatus des Islams seit 1912 steht.
Der Islamische Religionsunterricht trägt zur Verwirklichung der Zielbestimmungen der österreichischen Schule (§2 Schulorganisationsgesetz und Artikel 14, Absatz 5a Bundesverfassungsgesetz) bei. Er gibt jungen Menschen Orientierung und bietet damit bei der Sinnsuche in der religiös-ethisch philosophischen Bildungsdimension ein wichtiges schulisches Angebot. Die persönliche Entwicklung wird ebenso wie eine positive Grundeinstellung zur Mitwelt in ihrer Vielfalt gestärkt. Sich selbst mit individuellen Potentialen wahrzunehmen und auch anzunehmen soll wiederum soziale und ethische Kompetenzen stärken und zu einer Haltung der Verantwortlichkeit und Solidarität im Sinne des Allgemeinwohls erziehen. Selbstvertrauen und mündiges, kritisch-reflektiertes Beziehen einer eigenen Position ist dabei gekoppelt mit Gottvertrauen.
Die Vermittlung des islamischen Glaubens bezieht sich eng auf die zentralen Quellen des Islams und damit auf den Koran und die Sunna, das vorbildliche Leben des Propheten Muhammads (as). Schülerinnen sollen befähigt werden, mit diesen Quellen umgehen zu können. Von der gemeinsamen Glaubensbasis der Musliminnen (wie dargelegt in der Glaubenslehre der IGGÖ) ausgehend soll bei Schüler*innen die Bereitschaft innere Vielfalt zu entdecken und damit wertschätzend umzugehen gefördert werden. Daher sollen auch die historische Entwicklung verschiedener Geistestraditionen aufgezeigt und diskutiert werden. Pluralitätsfähigkeit wird dabei angestrebt, um generell mit Diversität in einer pluralen Gesellschaft verständnisvoll und offen umgehen zu können.Die Beschäftigung mit dem eigenen religiösen und kulturellen Hintergrund soll dazu befähigen, die eigene Identität zu reflektieren und sich als Teil der Gesellschaft zu begreifen. Die Kompatibilität einer muslimischen Lebensweise mit dem Zugehörigkeitsbewusstsein zu einer demokratischen, rechtsstaatlichen und an Menschenrechten orientierten Gesellschaft soll gestärkt werden. Als religiöse Minderheit geht es dabei auch um die religiöse Sprach- und Gestaltungsfähigkeit, die in der Selbstvergewisserung den Dialog fördert. Kenntnisse über andere Religionen und Weltanschauungen sollen Räume des interreligiösen und interkulturellen Austausches erschließen und den sozialen Zusammenhalt festigen. Daher sucht der Islamische Religionsunterricht die Kooperation im Lebensraum Schule, insbesondere im Rahmen von interkulturellen und interreligiösen Feiern, Festen und Projekten.
Rechtsgrundlagen
Didaktische Grundsätze
Ausgehend vom islamischen Menschenbild ist der Islamische Religionsunterricht bestrebt, Schüler*innen in ihrer individuellen Persönlichkeit zu stärken und ihnen eine Haltung des Vertrauens und optimistische Grundeinstellung mitzugeben. Dabei wird an der jeweiligen Lebenswirklichkeit angesetzt.
Die Beziehung zu Gott, dem Schöpfer wird ausgehend von der Beschäftigung mit Seiner Schöpfung gesucht, angefangen beim eigenen Ich. Der Religionsunterricht berücksichtigt die innere Vielfalt, sei es bei der Zugehörigkeit zu verschiedenen sunnitischen und schiitischen Ausrichtungen, sei es im unterschiedlichen Ausmaß religiöser Sozialisation. Damit ergibt sich eine dialogische Ausrichtung des Unterrichts, die sich auf das Vorwissen und die Vorerfahrungen der Schüler*innen bezieht. Pluralitätsfähigkeit soll so eingeübt werden, dass allgemein Offenheit gegenüber Menschen in der Vielfalt ihrer Lebensweisen und kulturell-religiösen Hintergründe gefördert wird, wobei das Reflektieren über das Verhältnis von Religion und Tradition wesentlich ist.
Der Aspekt der Erreichung von Geschlechtergerechtigkeit ist bei der Wahl geeigneter didaktischer Mittel präsent, so dass bereits der Unterrichtsstil zu deren Verwirklichung beiträgt. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten in der Organisation des Unterrichts (mal einstündig, mal zweistündig abgehalten) treffen die Lehrenden didaktisch-methodische Entscheidungen, die sie zur Erreichung der Ziele des Unterrichts reflektieren und verantworten. Lernformen sind vielfältig und berücksichtigen die jeweilige Schulart.
Zentrales Fachliches Konzept
Der Islamische Religionsunterricht leistet einen grundlegenden Beitrag zur religiös-ethisch-philosophischen Bildungsdimension der Schule und stärkt den gesamtgesellschaftlichen Zusammenhalt. Er fördert dabei ein Islamverständnis, das fußend auf der Glaubenslehre der IGGÖ Frieden mit Gott zu finden als Weg des Friedens mit den Menschen und der Umwelt begreift.
Das dynamische Selbstverständnis des Islams wird vermittelt. Je nach den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen können sich Fragen zur Religion ändern und auf Basis der Quellen authentisch neue Antworten gefunden werden. Dabei gibt das Verständnis von Maqasid asch-Scharia eine Richtschnur: Leben, Verstand, persönlicher Besitz, Familie und Religionsfreiheit als schützenswerte Güter weisen hin auf ethische Grundprinzipien und Menschenrechtsverständnis. Damit werden die Eigenverantwortung und Mündigkeit gestärkt, wie auch die Kreativität und das Streben nach Schönheit und Harmonie.
Islamischer Religionsunterricht übt Kommunikationsformen ein, die sich im Dialog bewähren und persönlichen Erkenntnisgewinn fördern. Eine Kultur des Fragens geht einher mit der Bereitschaft mit Kritik umgehen zu können und selbst Dinge kritisch zu hinterfragen. Instrumente und Methoden islamischen Denkens und religiöser Auslegung werden nach und nach insoweit vermittelt, dass Schüler*innen befähigt werden, sich im Umgang mit religiösen Aussagen selbständig eine eigene Meinung bilden zu können. Ein islamischer Weg der Mitte wird ebenso gefördert wie das Bewusstsein für Ambiguität, das oft ein „sowohl als auch“ zulässt.